Warum Nachhaltigkeitsberichte keine Abkürzungen brauchen


Warum Nachhaltigkeitsberichte keine Abkürzungen brauchen

Die Zukunft der Nachhaltigkeitsberichterstattung entscheidet sich nicht im Kleingedruckten regulatorischer Standards, sondern an einem klaren Fundament, meint Alexander Kraemer in der heutigen Kolumne. Was einen guten Bericht ausmacht und worum es in Zukunft geht.

Welche Informationen stehen uns zur Verfügung? Wie belastbar sind diese Informationen? Und was machen wir am Ende daraus? 

Wer seine Berichterstattung auf diese drei Fragen aufbaut, bleibt handlungsfähig – unabhängig davon, ob gerade CSRD, ESRS oder VSME durchs Unternehmen geistern. Berichte, die sich allein an regulatorischen Vorgaben orientieren, sind nämlich von Natur aus reaktiv. Zukunftssichere Berichte beziehungsweise Berichtsprozesse dagegen sind gestaltend: Sie liefern Orientierung, helfen bei Entscheidungen, bauen Vertrauen auf. Nicht weil sie müssen, sondern weil sie wirken.

Der Omnibus hat Unternehmen eiskalt erwischt

Die Realität sieht oft noch anders aus. Und das liegt auch an den turbulenten letzten Monaten. Der sogenannte Omnibus-Entwurf hat viele Unternehmen kalt erwischt. Was vorher zumindest strukturiert wirkte, wurde plötzlich wieder unklar. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen fragten sich: Müssen wir jetzt doch – oder doch nicht? Und wenn ja: wie viel, wie tief, wie oft?

In der Folge reagieren Geschäftsleitungen verunsichert, zum Teil sogar abwehrend. Das liegt nicht an einem mangelnden Willen, sondern an der Art, wie wir über Berichterstattung sprechen. Anstatt klar zu kommunizieren, werfen wir um uns, mit zahlreichen Abkürzungen. VSME, ESRS 1, GRI, DNK – für viele Entscheider:innen klingt das wie das Menü eines schlechten Berichts-Restaurants: unverständlich, überfordernd, unverdaulich.

Neue Narrative braucht das Reporting

Was es braucht, sind Narrative. Nachhaltigkeitsberichterstattung ist mehr als eine Pflichtübung – sie ist eine strategische Chance. Und, versteht mich nicht falsch, Reporting ist aufwändig und sollte einen klaren Fokus haben: Mehrwert für relevante Stakeholder schaffen. Das vergessen wir gerne in unserem Excel-Datei-Deep-Dive.

Diese drei Argumente tragen wirklich in der Kommunikation mit der Geschäftsleitung:

  1. Reporting schafft Anschlussfähigkeit. Wer glaubwürdig berichtet, ist lieferfähig – für Kund:innen, Investor:innen, Banken und Versicherungen.
  2. Reporting hilft bei Entscheidungen. Gute Daten machen Steuerung möglich – vom Einkauf bis zur Geschäftsstrategie.
  3. Reporting zeigt Verantwortung. Wer seine Wirkungen kennt, kann Veränderung aktiv gestalten.

Die Missverständnisse rund um die Standards sind zahlreich. Ein häufiger Irrtum: Ein ESRS-konformer Bericht ist automatisch ein guter Bericht. Und Nachhaltigkeitsberichterstattung betrifft nur börsennotierte Unternehmen. Falsch, denn die wahren Treiber liegen längst jenseits der Regulatorik.

Der Markt will Antworten

Banken, Versicherungen und Kund:innen verlangen heute zunehmend Einblicke in die Nachhaltigkeitsperformance eines Unternehmens – nicht, weil sie nett sein wollen, sondern weil sie selbst gesetzlichen Druck verspüren. Kreditvergabe, Risikoabsicherung, Lieferkettenverantwortung: Überall wächst der Bedarf nach nachvollziehbaren Informationen. Wer hier keine Antworten liefert, fällt durch‘s Raster – nicht irgendwann, sondern jetzt. Wie also vorbereiten? 

Zukunftssicherheit in der Berichterstattung entsteht dort, wo vier Dinge zusammenspielen:

  • Ein belastbares Wesentlichkeitsverständnis, das über Alibi-Workshops hinausgeht.
  • Ein konsistentes, zukunftsfähiges Daten-Backbone, das nicht von Excel abhängt, sondern strukturiert funktioniert.
  • Ein Transformationsnarrativ, das klar macht, wohin die Reise geht – und was Fortschritt für das eigene Unternehmen bedeutet.
  • Ein befähigtes Team, das nicht nur einen Bericht schreiben, sondern wirksam denken kann.

Und deshalb lautet mein pragmatischer Rat: Fangt nicht bei den Standards an, fangt bei eurer eigenen Realität an. Nutzt Reportingstandards als Hilfestellung, nicht als Dogma. Entwickelt eine Reporting-Logik, die mit euch wächst, als Prozess, nicht als Projekt. In kleinen Loops, statt als große Deadline-Wand.

Im Kern geht es um die Zukunft

Natürlich ist es einfacher in einer Kolumne geschrieben als in Realität umgesetzt. Während sich die Abkürzungen wandeln können, werden die Kernelemente eines guten Nachhaltigkeitsmanagements bleiben. Und sie können Mehrwert generieren.

Wer klug berichtet, zahlt auf sein Kerngeschäft ein. Nachhaltigkeitsinformationen entscheiden künftig über Kreditkonditionen, Versicherbarkeit, Kundenzugang und Marktstellung. Das Reporting der Zukunft ist nicht bürokratische Pflicht – sondern strategisches Asset. Es schafft Vertrauen, senkt Risiken und erhöht Anschlussfähigkeit in einem zunehmend nachhaltigkeitsgetriebenen Marktumfeld.

Kurz gesagt: Gute Berichte zahlen sich aus – und zwar nicht nur auf dem Papier.