Interview mit Matthias Jungblut von osapiens

Nachhaltigkeitsreporting muss die Bedürfnisse von Stakeholdern abbilden und trotzdem umsetzbar sein, meint Matthias Jungblut, Mitgründer und Chief Product Officer von osapiens. Ein Interview über die Folgen des Omnibusses, mittelständische Unternehmen und die Zukunft von Sustainability-Software.

Herr Jungblut, die Omnibusinitiative könnte dazu führen, dass Nachhaltigkeit und Berichterstattung in der Europäischen Union eine geringere Rolle spielen werden. Machen Sie sich große Sorgen?

Wir machen uns keine Sorgen. Der Anwendungsbereich der CSRD wird potenziell heruntergebrochen, ähnlich wie bei der CSDDD, so dass sich alles auf Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden fokussiert. Dieser Trend war aber schon letztes Jahr abzusehen. Insgesamt ist es wichtig, dass wir einen in der EU vergleichbaren Standard haben, damit nicht zu viele Inselberichterstattungen entstehen. Sonst wird es für Unternehmen eher schwieriger als einfacher. Wir sprechen im Zuge der Vereinfachungen nicht über das Ende des Nachhaltigkeitsmanagements, sondern über eine schlankere Berichterstattung.

Wie bewerten Sie das Vorhaben der Europäischen Kommission?

Es gibt eine dünne Linie zwischen zu viel Wegstreichen und zu viel Reporting-Pflicht. Grundsätzlich finde ich es positiv, wenn Reporting vereinfacht und damit die Umsetzbarkeit erhöht wird. Wir dürfen nur nicht das Ziel aus dem Auge verlieren. 

Das da wäre?

Wir brauchen weiterhin ein Nachhaltigkeits-Reporting, das sowohl die Bedürfnisse von verschiedenen Stakeholdern abbildet und damit wirkt als auch planbar und einfach für Unternehmen ist. Vorher wurde Reporting on top gemacht und es ging darum, so schnell wie möglich und mit geringem Aufwand zum ersten Bericht zu kommen. Inzwischen können sich Unternehmen mehr Zeit lassen und sich strategisch mit der Umsetzung auseinandersetzen.

Nachhaltigkeit zwischen Strategie und Reporting

Wie gehen Sie damit um, wenn Regularien und Gesetze immer wieder hinterfragt werden?

Entscheidend ist eher, wie betroffene Unternehmen damit umgehen. Nachdem zum Beispiel die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) verabschiedet wurde, investierten Unternehmen viele Ressourcen und Zeit, um sich besser aufzustellen. Wird eine solche Regelung anschließend hinterfragt, in diesem Fall verschoben, kann das einerseits natürlich die Umsetzbarkeit verbessern, führt andererseits aber auch zu Verunsicherung. Dies verlangt von Unternehmen einen langen Atem, flexible Strukturen und vorausschauende Planung, um auf Kurs zu bleiben.“

Wie realistisch ist es, dass mittelständische Unternehmen in Zukunft freiwillig berichten?

Viele Unternehmen mit weniger als 1000 Mitarbeitenden fertigen schon heute Nachhaltigkeitsberichte an, da sie ihren Stakeholdern Nachhaltigkeitsdaten liefern müssen. Zum Beispiel fordern Finanzinvestoren Nachhaltigkeitsdaten für die Vergabe von Krediten an. Eine Standardisierung wäre daher für viele Unternehmen eine Erleichterung. 

Sehen das auch Ihre Kund:innen so?

Unsere Kund:innen wollen das Thema nicht stoppen, sondern von einem anderen Blickwinkel betrachten. Sie stellen sich neue Fragen: Wie will ich Nachhaltigkeit in meine Unternehmensstrategie integrieren? In welchen Bereichen lohnt sich das besonders, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein? Viele Lieferketten werden sich durch den Klimawandel verändern. Nun werden Nachhaltigkeitsprozesse zunehmend ins gesamte Unternehmen integriert.

Haben sich Unternehmen in den letzten Jahren zu sehr auf Reporting konzentriert?

Nicht allein Unternehmen haben sich darauf konzentriert, sondern vorrangig die Gesetzgeber. Schon vor drei Jahren lautete unser Slogan „Platform to make an impact“, mit der Botschaft, dass Nachhaltigkeitsprozesse im Unternehmen integriert werden sollten. Weil wir mit Änderungen und Gesetzen beschäftigt waren, lag aber auch unser Fokus zunächst auf Compliance als Grundlage für alle weiteren Schritte.

Die Zukunft der Sustainability-Software

Wie viel Vertrauen haben Sie, dass der Markt für Sustainability-Software auch in Zukunft existiert?

Der Software-Markt für Nachhaltigkeitsberichterstattung ist neu. Es ist wichtig, das Thema mit einem Mehrwert für Unternehmen zu verbinden. Und genau diese Brücke wollen wir schlagen: Unser Kund:innen kaufen nicht nur eine Lösung für Berichts-Compliance, sondern sie können digitalisieren, ihre Lieferketten transparenter gestalten und schnellere Entscheidungen treffen. Dieser Markt wird also auch in Zukunft eine große Bedeutung haben. Das sehen wir ebenfalls in Asien, vor allem in China, wo sich das Thema Nachhaltigkeit ganz anders entwickelt als in den USA.

Und doch hat osapiens neben seinen europäischen Standorten auch ein Büro in New York eröffnet. Dazu hieß es im Januar: „Die USA sind für uns ein strategisch wichtiger Markt, da die Nachfrage nach ESG-Lösungen dort enorm wächst." Sehen sie das immer noch so?

Wir müssen die politische Lage von der Unternehmenssituation unterscheiden. In den USA ist ESG anders belegt als in Europa. Natürlich ist dort ein Rückgang zu verspüren, aber insgesamt sind ESG-Daten immer noch relevant für Finanzinvestor:innen. Nachhaltigkeit ist auch eine Frage der Resilienz und gerade in den USA sind viele Regionen stark vom Klimawandel betroffen. Die USA sind für uns also immer noch ein wichtiger Markt. 

Wie anpassungsfähig muss man in Ihrem Business aktuell sein?

Wer sich mit Compliance beschäftigt, muss unfassbar flexibel sein und sich von heute auf morgen verändern können. Uns war von Anfang an wichtig, dass unsere Technologien und Lösungen flexibel sind. Nur so können wir unsere Kund:innen entlasten, wenn eine neue Gesetzesänderung kommt. Nach dem Omnibus werden wir unsere CSRD-Lösung anpassen. Und für Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden, die vielleicht nicht mehr berichten müssen, haben wir einen VSME-Standard, nach dem sie einen freiwilligen Bericht erstellen können.

Womit beschäftigen Sie sich in Zukunft?

Unsere Kund:innen sollen mehr Transparenz gewinnen, über das Risikomanagement hin zu Klimarisiken. Ein Beispiel ist die Entwaldungsverordnung: Rohstoffe wie Kaffee und Kakao stehen stark unter dem Einfluss des Klimawandels. Durch mehr Transparenz können Importeur:innen sehen, woher Rohstoffe kommen und wie hoch das Klimarisiko für die Lieferkette ist. Die Folge ist, dass Unternehmen in der Lage sind, bessere unternehmerische Entscheidungen zu treffen, was ein großer Gewinn ist.

Das Interview wurde im Rahmen des „Dinner im Schloss“ geführt. Den Nachbericht zur Veranstaltung finden Sie hier.