Abseits der Nachhaltigkeits-Bubble: Dinner im Schloss 2025

Business meets Impact and Sustainability: Am 29. April fand die vierte Auflage des „Dinner im Schloss“ in Heidelberg statt. Das Netzwerk-Event zeigt vor allem eins: Auch 2025 bleibt es wichtig, über Nachhaltigkeit und Impact zu sprechen.

Glückliche Hochzeitspaare, entspanntes Gastro-Personal und amerikanische Tourist:innen. In einer der berühmtesten Ruinen der Welt geht an diesem sonnigen Dienstag alles seinen gewohnten Gang. Doch hier und da spazieren Menschen in Kleidern und Anzügen über den Innenhof des Heidelberger Schlosses, auf dem Weg zu einem Business-Event: Am 29. April kommen führende Köpfe aus Wirtschaft, Politik, Technologie und Kultur zusammen, um über aktuelle Herausforderungen und Zukunftsvisionen zu diskutieren.

Unter dem Motto „Business meets Impact & Sustainability“ soll das „Dinner im Schloss“ in diesem Jahr noch stärker auf Schnittstellen zwischen Wirtschaft, Innovation und gesellschaftlicher Verantwortung eingehen, betont der Gründer und Initiator Reza Mehman in seiner Eröffnungsrede: „Es bleibt auch 2025 absolut wichtig, über Nachhaltigkeit und Impact zu sprechen.“ Angesichts der politischen Entwicklungen stellt er fest: „Wir haben scheinbar keine gemeinsame Basis mehr, sprechen in unterschiedlichen Realitäten.“ Wie können wir also gemeinsame Lösungen finden?

Weniger Emotion, mehr Relevanz: Wie wir über Diversity sprechen

„Was wir nicht messbar machen, ändert sich nicht“ erklärt Christine Rittner, mehrfache Aufsichtsrätin sowie ehemalige Vorständin und CHRO von Lidl International in ihrem Plädoyer für Frauenquoten in Aufsichtsräten. Und wenn sich Männer, die keine Vielfaltsdimensionen erfüllen, benachteiligt fühlen? Faktisch sprechen die Verhältnisse in Führungsetagen da eine klare Sprache, meint Rittner und blickt weiter voraus: „In Zukunft brauchen wir alle Menschen im Arbeitsmarkt.“ 

In der Vergangenheit wurde zu emotional über Diversity diskutiert, stellt Rittner fest und wünscht sich mehr Businessrelevanz. Unternehmen sollten Vielfalt nicht wie eine Checkliste abarbeiten, sondern wie ein Orchester behandeln: Viele Akteur:innen mit verschiedenen Instrumenten, aber nicht alle spielen in jedem Stück mit. Mal spielen sie lauter, mal leiser. Inzwischen hat Rittner, die nach der Berufung zur Vorständin als „Quotenfrau“ bezeichnet worden sei, die Welt der Start-ups für sich entdeckt. Nun investiert sie in Start-ups, die mindestens eine Gründerin haben.

Vielfalt ist jedoch nicht nur ein Thema für Unternehmen. Zu Gast war deshalb auch Lennart Sass, blinder Judoka und Bronzegewinner bei den paralympischen Spielen in Paris 2024. Sein Motto: „You don’t need to see the stars to reach them“. Mindset und Unabhängigkeit sind für ihn alles. Der Spitzensportler studiert nebenbei Jura, um die „Karriere nach der Karriere“ vorzubereiten. Außerdem zu Gast: Toni-L. Er ist Gründungsmitglied der 1987 in Heidelberg gegründeten Rap-Gruppe Advanced Chemistry, die als einer der Anfänge des Hip-Hops in Deutschland gilt. Den Heidelberger Hip-Hop – inzwischen immaterielles Weltkulturerbe der UNESCO – will der Rapper mit seinem „Freien Hip-Hop Institut“ archivieren, erforschen und jungen Leuten weitergeben.

Transformation durch Innovation und Technologie?

„Es ist schockierend, wenn ein deutscher Mittelständler nicht die Anzahl oder Locations seiner Lieferanten kennt“, meint Matthias Jungblut, Co-Founder und Chief Product Officer von osapiens. Trotz der erwarteten Lockerungen durch die Omnibus-Initiative würden vor allem US-Finanzinvestor:innen nicht aufhören, Nachhaltigkeitskennzahlen abzufragen. Und auch wegen der Ökodesign-Verordnung oder der Entwaldungsverordnung werde Regulatorik weiterhin im Vordergrund stehen, prophezeit der Software-Experte. Er wünscht sich mehr Action: „Hoffentlich kommen Unternehmen bald von der reinen Berichtspflicht mehr ins Tun.“ 

Es werden immer mehr Nachhaltigkeits-Start-ups gegründet, beobachtet Adrian Thoma, Managing Director von NXTGN, der Innovationsplattform des Landes Baden-Württemberg: „Der Social Purpose ist bei jüngeren Generationen eingesunken. Eine Mischung aus tiefer Überzeugung und Business-Wissen.“ Er hofft dennoch auf eine „neue Gründerwelle“, denn wegen des Innovationsdrucks und der Nachfrage nach eigenen Lösungen sei nun die Zeit für europäische Start-ups gekommen. Thoma appelliert an Universitäten und Hochschulen, die angeblich immer besser verstehen: Grundlagenforschung ist wichtig, aber auch das Unternehmertum zählt.

Nachhaltigkeit ist nicht tot, auch wenn Berichtspflichten auf dem Prüfstand stehen. So sieht es Anahita Thoms, die Unternehmen zu ESG, Menschenrechten und internationalen Handelsvorschriften berät. Angesichts eines Koalitionsvertrags, der „über wichtige Fragen schweigt“, sowie eines ESG-Backlashs stellt sich Thoms einige Fragen: Was bleibt von Regularien, von Investments und Best Practices? Wie wichtig bleiben Menschen- und Kinderrechte in der Lieferkette? Worauf legen Investor:innen künftig Wert?

„Innovation is key“, sagt Thoms „und wenn man seine Kund:innen davon überzeugen kann, dass ein Produkt nicht nur compliant, sondern auch innovativ ist, hilft das enorm.“ Unternehmen müssten sich mehr auf risikobasierte Analyse stützen und weiter digitalisieren, um schneller reagieren zu können und eine resiliente Lieferkette aufzubauen.

Außerhalb der Sustainability-Community

Einen inspirierenden Raum, Austausch mit Gleichgesinnten und konkrete Maßnahmen zur Förderung von Nachhaltigkeit und Innovation in Unternehmen, Städten oder im privaten Umfeld: Das verspricht das Dinner im Schloss seinen Besucher:innen. Das Event kann es inhaltlich zwar nicht mit den großen Nachhaltigkeitskonferenzen der Bundesrepublik aufnehmen, aber das ist auch nicht das Ziel. Es geht nicht um die große Öffentlichkeit oder den fortgeschrittenen Nachhaltigkeitsdiskurs. 

Das Dinner im Schloss versteht der Gründer Reza Mehman als Plattform zur Vernetzung von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Playern: wo Nachhaltigkeit auch denen nähergebracht wird, die noch nicht so viel wissen, aber mehr erfahren wollen. Während die Stimmung angesichts der politischen Entwicklungen in der einschlägigen Nachhaltigkeitscommunity zu kippen droht, klingen die Töne in Heidelberg etwas zuversichtlicher.

Anerkannte Nachhaltigkeitsexpert:innen, aber auch Persönlichkeiten aus anderen Bereichen öffnen den Blick für Nachhaltigkeitsthemen und weit darüber hinaus. Und damit befördern sie den Nachhaltigkeitsdiskurs heraus aus seiner Bubble. Dorthin, wo sonst andere unterwegs sind: Glückliche Hochzeitspaare, entspanntes Gastro-Personal und amerikanische Tourist:innen.


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