Nachhaltigkeit anders erzählen

Menschen lassen sich lieber durch gut gemachte Storys zu einem gewünschten Tun inspirieren als durch abstrakte Zahlen, trockene Fakten und Zeigefinger. Wer seine Zielgruppen für die grüne Transformation begeistern will, kann an vielerlei Stellschrauben drehen. Welche das sind, zeigt Gastautorin Anne M. Schüller im Beitrag.

In vielen Unternehmen ist der Sustainability-Bereich mit der Administration von Regularien, Dokumentationspflichten, Zertifizierungsprozessen, Compliance-Standards und allerlei Berichten vollauf beschäftigt. Soll darüber hinaus das Gute, dass dort passiert, ansprechend verpackt in die Welt posaunt werden? „Das steht nicht in unserer Stellenbeschreibung“, höre ich oft, „und dafür haben wir auch überhaupt keine Zeit.“

Wissenschaftler und Nachhaltigkeitsleute sind durch ihre Arbeit daran gewöhnt, mit Zahlen, Daten und Fakten zu hantieren. Doch ein stimmiges Storytelling, das die Massen für nachhaltiges Handeln echt begeistert? „Wir wüssten gar nicht, wie das geht – und ein Kommunikationstraining haben wir nie bekommen“, erläutert man mir. Genau an dem Punkt kommen die unternehmensinternen Kommunikationsprofis ist Spiel.

Die Nachhaltigkeitskommunikation muss sich wandeln

Kommunikationsprofis wissen aus langer Erfahrung: Menschen lassen sich am ehesten für eine Sache gewinnen, wenn sie darin einen schnell erreichbaren Nutzen für sich persönlich sehen. Klar, ein Mehrwert für den Planeten und die Menschheit als Ganzes ist wichtig und sicher auch für die meisten verständlich. Doch mit Blick auf eine gelungene Nutzenargumentation ist das viel zu weit weg und auch viel zu abstrakt.

Die Nachhaltigkeitskommunikation muss einerseits regulatorische Vorgaben erfüllen und soll andererseits die Menschen berühren. Dieser Spagat zwischen fachlicher Korrektheit und vereinfachender Verständlichkeit ist eine zentrale Herausforderung für das Kommunikationsdesign, damit es die anvisierten Zielgruppen tatsächlich erreicht. Doch eine faktenbasierte Berichterstattung ist für Laien meist kaum verständlich.

Was wir vielmehr brauchen, sind eine emotionalisierende Außenkommunikation und ein stimmiges Storytelling. Genau dabei kann, wo vorhanden, Corporate Communications gut unterstützen und Vorreiter sein. Weshalb nicht das Marketing? Bislang waren Werbekampagnen oft Teil des Problems, weil diese mit ihren Botschaften noch immer einen Konsum befeuern, der alles andere als klimaschonend und nachhaltig ist.

Menschen kaufen Beziehungen, Geschichten und Magie

Kommunikationsprofis verstehen es glänzend, die komplexesten Themen in griffige Narrative zu verwandeln. Denn eines ist ihnen klar: Emotionales hat für uns Menschen einen sehr hohen Stellenwert. So können Anbieter wie aus dem Nichts in aller Munde sein, wenn eine Nachhaltigkeitsinitiative spannend erzählt wird.

  • Eine Grundregel dabei: „Sprich nicht nur über die Maßnahme selbst, emotionalisiere den Kontext und zeig immer auch Menschen.“ Emotionales und alles Menschliche haben Vorfahrt im Kopf. Außerdem gilt: „Je emotionaler, desto viraler.“
  • Und eine zweite Grundregel besagt: „Facts tell, Storys sell.“ Zahlen, Daten und Fakten sind Schwerstarbeit für unseren Denkapparat. Nicht der, der die besten Argumente hat, überzeugt, sondern derjenige, der die stimmigste Story erzählt.

Keine neue Vorgehensweise ist per se interessant. Interessant ist vielmehr, welchen Nutzen sie dem Rezipienten oder der Gesellschaft als Ganzes bringt und was wir dadurch erreichen. „Menschen kaufen keine Produkte und Services. Sie kaufen Beziehungen, Geschichten und Magie“, so der renommierte US-Autor Seth Godin.

Emotion vor Ratio, so treffen wir eine Entscheidung

Eine gelungene Nachhaltigkeitskampagne will nicht nur die richtigen Zielgruppen erreichen, sondern vor allem auch Wirkung erzielen: mehr nachhaltiges Handeln. Sustainability müssen wir insofern den Menschen anders erzählen. „Emotio vor Ratio“, so funktioniert unser Gehirn. Bei allem, was wir tun, sind immer auch Gefühle im Spiel.

Aus der modernen Gehirnforschung wissen wir längst: Alle Entscheidungen, die wir treffen, durchlaufen, bevor sie ins Bewusstsein gelangen, zunächst das limbische System. Dort werden sie emotional vormarkiert, bekommen also ein Plus oder ein Minus. Erst danach werden sie zur weiteren Bearbeitung ans Denkhirn weitergeleitet.

Die Gemengelage aus Zahlen, Daten und Fakten rund um Klima- und Umweltschutz ist für alle, die nicht in der Nachhaltigkeitsbubble sind, zu mehrdeutig, zu intellektuell und insbesondere auch zu komplex. Zudem mag niemand Geschichten über Entbehrungen, Mühsal und Verzicht. Was ankommen soll, darf obendrein nicht anschuldigend sein.

Quick Wins und heiteres Vorgehen führen zum Erfolg

Leider spricht die Nachhaltigkeitskommunikation oft auch die falschen Zielgruppen an, nämlich die radikal nicht überzeugten. Keinem Vertriebler käme das in den Sinn. Nie würde er seine Zeit an diejenigen verschwenden, die seine Lösung auf gar keinen Fall wollen. Deshalb sollten wir unsere Energie zunächst nur auf die Einsichtigen lenken.

Dazu beginnen wir mit einem ersten erfolgversprechenden Schritt. Das ist das Denken in Quick Wins, um rasch aus dem Startblock zu kommen. Es muss einfach sein, seine Routinen zu ändern, dann machen wir das. Von Natur aus sind wir auf schnelle Erfolge fixiert und favorisieren, was uns sofortige Vorteile bringt. Das macht Lust auf mehr.

Zudem bringen uns heitere Narrative wesentlich weiter. Erzählungen darüber, wie gut wir in einer intakten Natur leben können und was das uns und unserem unmittelbaren Umfeld ganz persönlich bringt, motivieren zu mehr Engagement. Schreckensszenarien hingegen lähmen und machen dumm, weil Angstzustände Synapsen blockieren.

Gut erzählte Geschichten sind die besten Motivatoren

Geschichten ziehen uns wie magisch in ihren Bann. Sie übersetzen Informationen in Emotion. Sie machen neugierig und fesseln die Aufmerksamkeit. Sie lockern auf und entspannen. Sie steigern die Überzeugungskraft und wecken das Gefühl von Vertrautheit. Sie sprechen das Vorstellungsvermögen an und beflügeln.

Meisterlich erzählte Geschichten nehmen uns die Angst vor dem Unbekannten. Sie handeln davon, wie Neues sich in unser Leben integriert und welchen Nutzen uns das ganz konkret bringt. Sie spornen uns an. Sie fördern das Verstehen und helfen dabei, zustimmen zu können. Sie zeigen einen möglichen Weg, ohne uns zu bedrängen.

Doch bisweilen ist die Argumentation hierbei zu groß. Die wenigsten wollen gleich die ganze Welt, die meisten wollen vor allem das eigene Leben verbessern. „What‘s in it for me?" ist die entscheidende Frage. Darauf müssen passende Antworten her. Wie in guten Reportagen wird die Story am besten am Beispiel eines einzelnen Menschen erzählt.

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Nachhaltiges Denken und Handeln ist das neue Normal

In Summe betrachtet ist die derzeitige Nachhaltigkeitskommunikation bedenklich, weil zu technisch, zu faktenlastig und zu emotionslos. Die typische Farbwelt von matten Grün-, Ocker- und Braun-Tönen kommt traurig daher, die Designs sind uninspiriert und meist rein funktional. Also bitte! Nachhaltige Produkte sind doch was Tolles!

Da sollte man richtig Bock drauf haben! Weshalb kommen sie dann so uninspiriert und nüchtern daher? Was uns meist geboten wird, ist eine reine Sachargumentation, die zwar vernünftig klingt, aber von missvergnüglichen Bildern begleitet wird und ein schlechtes Gewissen macht. Damit lassen sich, wenn überhaupt, höchstens die Öko-Fans ködern.

Ergo: Wir müssen Nachhaltigkeit besser erzählen: leichter, einfacher, freudvoller, bunter. Kluge nachhaltige Lösungen sind cool, kreativ und bereichernd. Eine ökosoziale Grundgesinnung hat nichts mit Mangel zu tun, sondern ist lifestylig und hipp, ganz einfach die bessere Party. Sie sorgt für ein angenehmes Leben und eine solide Zukunft.

„Nachhaltiges Handeln ist das neue Normal“ - das muss ab sofort die Erzählung sein.


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