Vorkaufsrecht entsteht auch bei Umwandlung in Teileigentum

Hintergrund: Verkauf von Teileigentum an Wohnräumen
Der Mieter von zu Wohnzwecken vermieteten Räumen verlangt Schadensersatz wegen angeblicher Vereitelung eines Vorkaufsrechts. Er bewohnt seit 2006 die Räume in einem Mehrparteienhaus. Mitte Dezember 2017 teilte der Eigentümer das Gebäude nach WEG auf. An den Räumen des Mieters wurde allerdings kein Wohnungseigentum (Sondereigentum an einer Wohnung), sondern Teileigentum (Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen) begründet.
Ende 2017 wurden mehrere Einheiten verkauft, darunter die Einheit des Mieters. Im Januar 2018 informierte der Eigentümer/Verkäufer den Mieter über den Verkauf und teilte mit, dass ihm ein Vorkaufsrecht zustehe, das er innerhalb von zwei Monaten ausüben könne. Diese Frist ließ der Mieter ungenutzt verstreichen.
Im Dezember 2018 teilte der Verkäufer dem Mieter mit, er könne sich noch überlegen, ob er die Wohnung erwerben wolle und es stehe ihm frei, in den Kaufvertrag einzutreten. Im August 2019 erklärte der Mieter schließlich, die Wohnung kaufen zu wollen. Zum Eintritt des Mieters in den Kaufvertrag kam es jedoch nicht. Die Erwerberin der Einheit verkaufte diese schließlich für 560.000 Euro weiter.
Der Mieter meint, der Verkäufer habe durch die Umwandlung in Teil- statt in Wohnungseigentum sein Vorkaufsrecht vereitelt und verlangt als Schadensersatz die Differenz zwischen dem Wert der Wohnung, der 355.000 Euro betrage, und dem von der Erwerberin erzielten Weiterverkaufspreis.
Entscheidung: Vorkaufsrecht auch bei Teileigentum möglich
Der Mieter hat keinen Anspruch auf Schadensersatz. Der Vermieter hat ein Vorkaufsrecht weder bei der Entstehung noch bei der Ausübung vereitelt.
Dem Mieter von Wohnräumen, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, steht ein Vorkaufsrecht zu, wenn die Räume an Dritte verkauft werden. Das ergibt sich aus § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die Vorschrift ist hier zwar nicht direkt anwendbar, weil kein Wohnungseigentum, sondern Teileigentum begründet worden ist. Dennoch ist ein Vorkaufsrecht des Mieters entstanden, weil § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Umwandlung von zu Wohnzwecken vermieteten Räumen in Teileigentum analog anwendbar ist.
Das Vorkaufsrecht des Mieters dient dazu, Mieter vor spekulativen Umwandlungen und der damit verbundenen Verdrängung zu schützen, wenn Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft werden. Es soll einen Ausgleich zwischen den Interessen des Eigentümers und den Schutzbedürfnissen des Mieters schaffen. Konkret ermöglicht es dem Mieter, die von ihm bewohnte Wohnung zu denselben Bedingungen zu erwerben, wie sie einem Dritten angeboten würden. Dadurch kann der Mieter eine Verschlechterung seiner rechtlichen Position, insbesondere durch Eigenbedarfskündigungen, vermeiden und selbst Eigentümer der Wohnung werden.
Der besondere Schutzbedarf des Mieters besteht auch, wenn die Wohnräume in Teileigentum statt in Wohnungseigentum umgewandelt werden, so dass § 577 Abs. 1 Satz 1 in diesem Fall analog anwendbar ist.
Ein Vorkaufsrecht des Mieters ist somit entstanden. Der Vorwurf des Mieters, der Eigentümer habe die Entstehung eines Vorkaufsrechts durch die Umwandlung in Teileigentum statt in Wohnungseigentum vereitelt, geht daher ins Leere. Der Vermieter hat den Mieter auch über den Verkauf und das Vorkaufsrecht informiert, so dass er auch insoweit nicht pflichtwidrig gehandelt hat.
Ausschlussfrist für die Ausübung des Vorkaufsrechts
Das Vorkaufsrecht muss innerhalb von zwei Monaten, nachdem der Verkäufer dem Mieter den Inhalt des Kaufvertrags mitgeteilt hat, ausgeübt werden, so § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB. Bei der Frist handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die nach ihrem Ablauf nicht der Disposition der Parteien unterliegt.
Diese Frist begann hier mit der Information über den Kaufvertrag im Januar 2018 und war bei der Erklärung des Mieters im August 2019 längst abgelaufen. Der Mieter hat daher sein Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt.
(BGH, Urteil v. 21.5.2025, VIII ZR 201/23)
Gesetzliche Grundlagen des Vorkaufsrechts
§ 577 BGB Vorkaufsrecht des Mieters
(1) Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt. Dies gilt nicht, wenn der Vermieter die Wohnräume an einen Familienangehörigen oder an einen Angehörigen seines Haushalts verkauft. Soweit sich nicht aus den nachfolgenden Absätzen etwas anderes ergibt, finden auf das Vorkaufsrecht die Vorschriften über den Vorkauf Anwendung.
(2) Die Mitteilung des Verkäufers oder des Dritten über den Inhalt des Kaufvertrags ist mit einer Unterrichtung des Mieters über sein Vorkaufsrecht zu verbinden.
(3) Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch schriftliche Erklärung des Mieters gegenüber dem Verkäufer.
(4) Stirbt der Mieter, so geht das Vorkaufsrecht auf diejenigen über, die in das Mietverhältnis nach § 563 Abs. 1 oder 2 eintreten.
(5) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
§ 464 BGB Ausübung des Vorkaufsrechts
(1) Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten. Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form.
(2) Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat.
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