Mieterstrom & Quartierskonzepte: BGH-Urteil zu Kundenanlagen

Auch Energieanlagen die zur Stromversorgung von Mietern lokal und eigenständig betrieben werden, gelten nicht automatisch als Kundenanlagen – das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt. Die Immobilienbranche sieht den Ausbau von Gebäude-Photovoltaikanlagen in Gefahr.

Mit der jüngsten Entscheidung des BGH zur energierechtlichen Einordnung sogenannter "Kundenanlagen" stehen laut dem Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW viele Unternehmen vor erheblichen Herausforderungen. Bestandsanlagen, die Strom in Mieterstrom und Quartierskonzepten verteilen, drohe eine Neuauslegung als reguläre Verteilernetze – mit gravierenden Folgen.

In dem vorliegenden Fall hat der Kartellsenat des BGH die Rechtsbeschwerde eines Energieversorgungsunternehmens zurückgewiesen, das den Anschluss zweier Energieanlagen als Kundenanlagen im Sinn von § 3 Nr. 24a EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) an das örtliche Verteilernetz begehrt. Aufgrund eines Wärmelieferungsvertrags wurden Wohnblöcke der Zwickauer Wohnungsbaugenossenschaft versorgt.

In dem Fall entschied der BGH nur über den räumlichen Zusammenhang und den Begriff der Kundenanlage auf EnWG-Grundlage. Allgemeingültige Voraussetzungen müsste der Gesetzgeber gesetzesübergreifendend definieren. 

(BGH, Beschluss v. 13.5.2025 – EnVR 83/20)

GdW: Unsicherheiten für Bestandsanlagen

"Tausende bestehende Versorgungsanlagen geraten durch das Urteil in eine extreme rechtliche Grauzone. Die Konsequenz wäre eine aufwändige und flächendeckende Neubewertung dieser Anlagen – ein bürokratischer Kraftakt, der im klaren Widerspruch zu den Zielen der Bundesregierung für weniger Bürokratie steht", kommentierte GdW-Präsident Axel Gedaschko die BGH-Entscheidung.

Gleichzeitig untergrabe die Entscheidung den politischen Willen, Mietern durch günstigen, lokal erzeugten Strom eine direkte Teilhabe an der Energiewende zu ermöglichen, so Gedaschko weiter: "In vielen Fällen werden diese Versorgungsmodelle nun faktisch unmöglich gemacht."

Forderungen der Wohnungswirtschaft:

  • Bestandsschutz für gebäudeübergreifende Kundenanlagen durch Übergangsfristen, um Planungs- und Investitionssicherheit zu gewährleisten.
  • Rechtssichere Fortführung von Hausverteilnetzen innerhalb einzelner Gebäudeliegenschaften, um bewährte Versorgungslösungen nicht zu gefährden.
  • Entwicklung neuer, praxisnaher energierechtlicher Lösungen für Quartiers- und gebäudeübergreifende Versorgungskonzepte, die Mieterpartizipation, Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit vereinen.

ZIA: EnWG-Novelle zur Sicherheit für Gebäude-PV-Anlagen

Auch der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) zeigt sich beunruhigt. Der BGH-Beschluss betreffe zwar einen konkreten Rechtsstreit, sorge aber für erhebliche Verunsicherung im Markt. "Es droht jetzt eine Situation, die es vielen Immobilienunternehmen schwer machen wird, einen rechtssicheren Betrieb der bisher über Selbsteinstufung unregulierten Kundenanlage aufrechtzuerhalten", warnt die ZIA-Hauptgeschäftsführerin Aygül Özkan.

Nun müsse die neue Bundesregierung den Spielraum des BGH-Urteils nutzen und über eine EnWG-Novelle schnell Sicherheit für Gebäude-Photovolatik (PV)-Anlagen in Bestand und Neubau sowie für Blockheizkraftwerke in der Gebäudeversorgung schaffen. Wichtig sei, so Özkan, dass das Hausverteilnetz als Kundenanlage bestehen bleibe und Versorgungskonzepte von einzelnen Gebäudeliegenschaften weiterhin rechtssicher als Kundenanlage betrieben werden können. Für gebäudeübergreifende Quartierskonzepte brauche es neue Lösungen.

"Die Kundenanlage war ein wichtiger Baustein für den Ausbau der Photovoltaik in der Wohnungswirtschaft und auf Gewerbeimmobilien. Es war der politische Wille, dass Versorgungskonzepte über das Einzelgebäude hinausgedacht werden und Mieterstromprojekte es Mietern ermöglichen, von der Immobilienwirtschaft mit günstigem Strom versorgt zu werden", mahnt die ZIA-Hauptgeschäftsführerin. Die Politik sei aufgefordert, pragmatische Lösungen zu finden, wie die Probleme in der Praxis von Kundenanlagen und Mieterstromprojekten gelöst werden können.

BGH schließt sich EuGH-Auffassung an

In seinem Beschluss hat sich der Bundesgerichtshof der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angeschlossen, dem er die Frage vorgelegt hatte: Bei Anlagen, die dazu dienen, Strom zu vertreiben, handelt es sich demnach um ein Verteilernetz, sie unterliegen damit denselben Verpflichtungen wie öffentliche Netzbetreiber. Das betrifft auch Mieterstrom, der über eigene Netze vertrieben werden soll.

(EuGH, Urteil v. 28.11.2024 – C-293/23)

Weitere BGH-Entscheidungen zu Kundenanlagen

Der Bundesgerichtshof hat schon im Jahr 2029 in zwei Entscheidungen den Begriff der Kundenanlage im Stromnetz näher definiert. Der BGH lehnte die Einstufung beider Projekte (einmal Wohnkomplexe im Bestand, einmal Projektentwicklung von Einfamilienreihenhäusern) als Kundenanlage ab.

(BGH, Beschlüsse v. 12.11.2019 – EnVR 65/18 und EnVR 66/18)



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