Eigenbedarf des Vermieters: Vorgetäuscht oder nachträglich weggefallen?

Mieter verklagte Vermieter auf Schadensersatz
Nachdem ein Mieter bemerkt hatte, dass der Vermieter nicht wie in der im Jahr 2018 ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung behauptet, nach seinem Auszug in seine ehemalige Mietwohnung in Berlin gezogen war, verklagte er ihn auf rund 15.000 EUR Schadensersatz. Der Mieter berief sich darauf, dass der Vermieter den angegebenen Grund des Eigenbedarfs nur vorgegeben habe. Der Vorwand des Eigenbedarfs habe aber dazu geführt, dass der Mieter 2019 auf Wunsch des Vermieters eine Mietaufhebungsvereinbarung abgeschlossen und aus der Wohnung ausgezogen sei.
Vermieter berief sich auf Verzögerung des Umbaus wegen Corona
Mit dieser Übereinsicht war der beklagte Vermieter nicht einverstanden. Er behauptete, dass der von ihm angeführte Grund für Eigenbedarf nachträglich weggefallen sei. Das komme daher, weil es durch den unerwarteten Ausbruch der Corona Pandemie im Jahr 2020 zu einer beträchtlichen Verzögerung von erforderlichen Umbaumaßnahmen gekommen sei. Aufgrund dessen habe er seine ursprünglichen Umzugspläne aufgegeben und die Wohnung an nahe Angehörige vermietet.
LG Berlin II: Mieter hat Anspruch auf Schadensersatz wegen vorgetäuschtem Eigenbedarf
Das LG Berlin entschied, dass dem Mieter der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz wegen vorgetäuschtem Eigenbedarf aus § 280 Abs. 1 BGB dem Grunde nach zusteht und hob die anderslautende Entscheidung der Vorinstanz auf (Urteil v. 04.09.2024 – 64 S 281/22).
Vermieter muss konkrete Umzugspläne darlegen
Die Richter begründeten das damit, dass der Vermieter nicht seiner sekundären Darlegungslast für den nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs nachgekommen sei. Hierzu hätte er erläutern müssen, wie er den Umzug nach Berlin hätte durchführen wollen. Konkrete Umzugspläne habe er aber nicht dargelegt. Vielmehr sei aufgrund seines zögerlichen Verhaltens von vornherein fraglich, ob er zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Berlin umziehen sollte. Es sei nicht ausreichend, wenn die Begründung eines Zweitwohnsitzes in Berlin nur in Erwägung gezogen wird.
Wann Eigenbedarf nachträglich wegfällt
Diese mittlerweile rechtskräftige Entscheidung wirft die Frage auf, inwieweit Vermieter sich darauf berufen können, dass der in der Kündigung angegebene Kündigungsgrund weggefallen ist.
BGH stellt hohe Anforderungen an Darlegung
Nach der höchstrichterlicher Rechtsprechung müssen Vermieter, die den angeblichen Eigenbedarf nicht umgesetzt haben, den gegen sie bestehenden Verdacht des vorgeschobenen Eigenbedarfs widerlegen (BGH, Beschluss v. 11.10.2016 – VIII ZR 300/15; BGH, Urteil v. 18.05.2005 – VIII ZR 368/03).
Beispiele aus der Rechtsprechung
In der Rechtsprechung finden sich zahlreiche Fälle vorgeschobenen Eigenbedarfs. Dabei gibt es wiederholt Fälle, in denen es den Vermietern nicht gelingt, den Verdacht des Eigenbedarfs zu widerlegen.
LG Kassel: Vorgeschobener Eigenbedarf wegen eBay-Inseraten
Ein Vermieter hatte seinem Mieter wegen Eigenbedarfs gekündigt, weil angeblich seine Mutter in das Einfamilienhaus als Mietsache einziehen wollte. Dazu kam es jedoch nicht. Nachdem der Vermieter zwei Anzeigen bei eBay geschaltet hatte, vermietete er es an einen anderen Mieter. Der frühere Mieter verklagte ihn daraufhin auf Schadensersatz und bekam Recht.
Das LG Kassel entschied, dass der ehemalige Mieter einen Anspruch auf Schadensersatz hat. Die Richter sahen die Eigenbedarfskündigung des Vermieters als vorgeschoben an. Sie begründeten das damit, dass er nicht hinreichend dargelegt habe, weshalb der in der Eigenbedarfskündigung genannte Grund weggefallen ist.
Unklar sei, weshalb die Mutter des Vermieters nicht mehr in die Wohnung einziehen wollte. Hierfür reiche die Behauptung des Vermieters nicht aus, dass sich die Renovierungsarbeiten verzögert haben. Ebenso wenig nahm das LG Kassel dem Vermieter ab, dass er angeblich durch die eBay-Anzeigen nur habe testen wollen, ob er das Haus für mehrere Monate zwischenvermieten kann (Urteil v. 23.11.2023 – 1 S 222/22).
AG Waiblingen: Pflegebedürftigkeit von Ehemann in USA zu vage dargelegt
In einem weiteren Sachverhalt kündigte eine Vermieterin ihren Mieter aufgrund von Eigenbedarf, weil sie angeblich mit ihren Kindern in die Wohnung einziehen wollte. Nachdem die Vermieterin die Wohnung direkt nach Auszug des Mieters an eine andere Person vermietet hatte, verklagte der ehemalige Mieter sie auf Schadensersatz.
Das AG Waiblingen gab der Klage des früheren Mieters statt. Die Richter begründeten das damit, dass die Vermieterin nicht hinreichend dargelegt habe, weshalb sie aufgrund einer Erkrankung ihres in den USA lebenden Ehemanns und der damit verbundenen Pflege, zwischenzeitlich nicht in die Wohnung ziehen konnte. Sie hätte etwa angeben müssen, an welcher Krankheit ihr Ehemann leidet und weshalb er dadurch pflegebedürftig geworden ist (Urteil v. 15.01.2019 – 9 C 1106/18).
Praxistipp:
Mieter die eine Kündigung wegen Eigenbedarfs erhalten haben, sollten darauf achten, ob der Vermieter bzw. in der Kündigung angegebene Angehörige tatsächlich in die frei werdende Wohnung einziehen. Wenn z.B. ein anderer Name auf der Klingel steht, kann überprüft werden, ob ein Fall von vorgeschobenem Eigenbedarf vorliegt. Darüber hinaus können Mieter darauf achten, ob der Vermieter die Wohnung inseriert.
Vermieter müssen bei vorgetäuschtem Eigenbedarf nicht nur mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, sondern auch mit einer Anzeige wegen Betruges gem. § 263 StGB rechnen. Wenn der angegebene Grund nach der Kündigung weggefallen ist, sollten Vermieter dies plausibel und nachprüfbar begründen.
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