Arbeitszeiterfassung gilt auch für Hausangestellte

Nach einer Entscheidung des EuGH besteht eine Pflicht des Arbeitgebers zur systematischen Erfassung der Arbeitszeit grundsätzlich auch bei Hausangestellten.

Die Entscheidung des EuGH zur Arbeitszeiterfassung betrifft einen spanischen Fall, hat aber auch Auswirkungen auf das deutsche Recht. In Spanien waren Hausangestellte durch ein nationales Gesetz bisher von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen. Dies hat der EuGH für unzulässig erklärt.

Spanisches Gesetz nimmt Hausangestellte von der Arbeitszeiterfassung aus

Eine vollzeitbeschäftigte spanische Hausangestellte hatte gegen die Kündigung ihres Anstellungsverhältnisses durch ihren Arbeitgeber geklagt und von diesem noch ausstehenden Lohn gefordert. Vor den spanischen Gerichten hatte sie mit ihrer Lohnforderung nur teilweise Erfolg. Sie selbst konnte die geleistete Arbeitszeit nicht in vollem Umfang nachweisen. Der Arbeitgeber war nach spanischem Recht nicht verpflichtet, die Arbeitszeiten von Hausangestellten zu erfassen und zu dokumentieren. Erstinstanzlich scheiterte sie daher mit ihrer Zahlungsklage, soweit sie die geleisteten Arbeitszeiten nicht nachweisen konnte. Das Berufungsgericht hatte Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der spanischen Regelung mit EU-Recht und rief den EuGH an.

Verpflichtende Arbeitszeiterfassung auch bei Hausangestellten

Der EuGH hat die spanische Regelung im Grundsatz für unvereinbar mit der EU-Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG) erklärt. Auch bei Hausangestellten seien Arbeitgeber nach der EU-Richtlinie zur Arbeitszeitgestaltung verpflichtet, die Arbeitszeiten zu erfassen und zu dokumentieren. Andernfalls entstünde für Hausangestellte eine im Vergleich zu anderen Beschäftigten nachteilige Situation. Ihnen würden in gegen Unionsrecht verstoßender Weise die Chancen zum Nachweis der von ihnen geleisteten Arbeit deutlich erschwert, wenn nicht abgeschnitten. Eine nationale Vorschrift, die Arbeitgeber von der Einführung eines Zeiterfassungssystems für Hausangestellte befreit, sei daher unzulässig.

Gerichte müssen Arbeitszeitrichtlinie unmittelbar anwenden

Der Gerichtshof betonte darüber hinaus, dass sämtliche Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten einschließlich der Gerichte unmittelbar verpflichtet sind, die Erreichung der in den EU-Richtlinien vorgesehenen Ziele zu fördern. Die Anwendung eines nationalen Gesetzes, dass die Befreiung der Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Einführung eines Zeiterfassungssystems gegenüber Hausangestellten befreit, sei ein offensichtlicher Verstoß gegen EU-Recht.

Ausnahmen in eng begrenzten Fällen möglich

Der EuGH ließ allerdings ein kleines Schlupfloch für nationale Gesetzgeber offen. Aufgrund der Besonderheiten des Hausarbeitssektors könnten in begründeten Fällen Ausnahmen von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für Überstunden und Teilzeitarbeit vorgesehen werden. Voraussetzung für solche gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen sei allerdings, dass diese die in Rede stehende Regelung der EU über die Arbeitszeitgestaltung nicht ihres Wesensgehalts berauben. Inwieweit die spezielle spanische Regelung in diesem Sinne ausgelegt werden kann, muss das spanische Gericht nach der Entscheidung des EuGH noch überprüfen.

Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot?

Der EuGH übertrug dem Vorlagegericht in Spanien darüber hinaus die Aufgabe zur Überprüfung eines weiteren Aspekts der spanischen Regelung. Der EuGH zog in Erwägung, dass die spanische Ausnahmeregelung für Hausangestellte eine Diskriminierung von Frauen beinhalten könnte. Nach einer Untersuchung des Instituts „Internationale Arbeitsorganisation“ (ILO) seien 85 % aller Hausangestellten weiblich. Die spanische Regelung könne in diesem Zusammenhang zu einer Benachteiligung überwiegend von Frauen führen, da diese möglicherweise an der Durchsetzung grundlegender Rechte (Lohnforderungen) gehindert würden. Inwieweit die nationale spanische Bestimmung eine Diskriminierung wegen des Geschlechts beinhaltet, muss das zuständige Ausgangsgericht in Spanien also ebenfalls prüfen.

Auswirkungen des Urteils auch für Deutschland

Das zunächst nur für das spanische Recht geltende Urteil hat Auswirkungen auch auf das deutsche Recht. Auch in Deutschland wurde bisher für Hausangestellte keine Aufzeichnung der geleisteten Arbeitsstunden durch den Arbeitgeber verlangt. Nach dem Urteil des EuGH dürfte diese Praxis nicht zu halten sein. Nach der Entscheidung des EuGH haben auch in Deutschland Hausangestellte das gleiche Recht auf Dokumentation ihrer Arbeitszeiten wie andere Arbeitnehmer. Allerdings könnte die praktische Wirkung hierzulande durch die reale Praxis eingeschränkt sein. Nach einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft leisten über 90 % der Hausangestellten in Deutschland ihre Arbeit schwarz.

(EuGH, Urteil v. 19.12.2024, C-531/23)


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