Wer KI will, muss Lernen mitdenken


Wer KI will, muss Lernen mitdenken

Wie gut wollen wir sein – und wie kommen wir dahin? Diese Frage drängt sich Kolumnistin Gudrun Porath angesichts aktueller Daten aus dem "Global Skills Report 2025" auf. Der Bericht zeigt: Deutschlands Unternehmen treiben KI-Innovationen voran – doch viele Beschäftigte bleiben beim Kompetenzerwerb auf der Strecke.

Im internationalen Vergleich steht Deutschland zumindest auf dem Papier gut da: Platz 9 in der Gesamtbewertung wirtschaftlicher, technologischer und datenbezogener Kompetenzen, Platz 14 im neu eingeführten "AI Maturity Index", der die Fähigkeit eines Landes misst, KI-Innovationen produktiv zu nutzen. Damit gehört Deutschland zur Spitzengruppe.

Doch ein Blick auf Europa zeigt: Länder wie die Schweiz, die Niederlande, Finnland, Dänemark und Norwegen sind vorbeigezogen. Beim KI-Reifegrad gehören wir nicht zu den Top 10 – unsere kleineren Nachbarn zeigen, wie es besser geht.

Investition in KI statt in Menschen

Ein besonders aufschlussreicher Widerspruch: Laut Report setzen 92 Prozent der deutschen Unternehmen bereits aktiv KI-Technologien ein, 93 Prozent halten sie für geschäftskritisch – ein Spitzenwert im globalen Vergleich. Wer nun jedoch annimmt, dass auch die Mitarbeitenden entsprechend vorbereitet werden, irrt. Nur 28 Prozent der Beschäftigten fühlen sich vom Arbeitgeber ausreichend bei der Kompetenzentwicklung unterstützt – das ist der niedrigste Wert in Europa.

Die Lücke zwischen strategischem Anspruch und gelebter Lernkultur ist eklatant. Sie hat messbare Folgen: Unbesetzte Stellen verursachen laut Coursera jährlich einen wirtschaftlichen Schaden von rund 339 Milliarden US-Dollar – das entspricht 1,3 Prozent des deutschen BIP. Und bis 2030, so die Prognose, müssen 60 Prozent der Beschäftigten umfassend umgeschult werden, um mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten.

Der Report zeigt auch, welche Kompetenzen aktuell gefragt sind: Neben KI und maschinellem Lernen (Wachstum: plus 39 Prozent) stehen sogenannte "Human Skills" im Fokus – etwa Kundenservice (plus 78 Prozent), Neugier (plus 41 Prozent), kreatives Denken (plus 29 Prozent) und systemisches Denken (plus 6 Prozent).

Weiterbildung braucht Kontinuität

Kritiker mögen einwenden, Coursera habe als Weiterbildungsanbieter ein eigenes Interesse an alarmierenden Zahlen. Doch die Befunde decken sich mit anderen Quellen. So sprach etwa Prof. Bernd Fitzenberger, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), bei den "Kieler Gesprächen" der Bundesagentur für Arbeit von einem deutlichen Umsetzungsdefizit. In politischen Sonntagsreden sei Weiterbildung ein Dauerbrenner, in der Realität hinke die Umsetzung hinterher. Noch immer liege das Niveau betrieblicher Weiterbildung unter dem Stand vor Corona.

Fitzenberger betonte: Wer Beschäftigung sichern will, muss berufliche Mobilität ermöglichen – und die wiederum setzt kontinuierliches Lernen voraus. Gerade für Menschen, die sich aus dem industriellen Sektor in Dienstleistungsberufe verändern müssen, ist Weiterbildung entscheidend – auch für die Einkommenssicherung.

Engagierte Lernende oft auf sich allein gestellt

Immer mehr Menschen nehmen das Lernen selbst in die Hand. Auf Coursera sind derzeit 2,3 Millionen Deutsche aktiv, das sind rund drei Prozent der Erwerbsbevölkerung. Sie belegen Kurse zu generativer KI, kritischem Denken, Cybersicherheit oder erwerben berufsbegleitende Zertifikate. Diese Eigeninitiative ist bemerkenswert, aber kein Ersatz für gezielte betriebliche Förderung.

Die Voraussetzungen für einen Aufbruch sind da: Deutschland hat eine starke Ausgangsposition, eine innovationsfreudige Wirtschaft und eine technologische Infrastruktur, die individuelles, KI-gestütztes Lernen erlaubt wie nie zuvor. Was fehlt, ist der flächendeckende Wille zur Umsetzung.

Unternehmen könnten mit ihren Mitarbeitenden wachsen – nicht trotz, sondern wegen der Transformation. Es wäre fahrlässig, diese Chance ungenutzt zu lassen.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Zeitschrift "personalmagazin - neues lernen" die Trends auf dem E-Learning-Markt.