Wie Führungskräfte ein agiles Mindset fördern können

Welchen Einfluss haben Führungskräfte, um das agile Mindset von Mitarbeitenden zu fördern? Und welches Strukturen nehmen Mitarbeitende für die Entwicklung ihres agilen Mindsets als unterstützend wahr? Eine wissenschaftliche Studie basierend auf Interviews mit Mitarbeitenden im agilen Umfeld bietet Handlungsempfehlungen für Führungskräfte.

In einer Welt, die von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägt ist, stehen Unternehmen vor ständig wechselnden und oft unvorhersehbaren He­rausforderungen. Um in dieser dynamischen Umgebung wirtschaftlich erfolgreich zu sein, ist Agilität von entscheidender Bedeutung, also die Fähigkeit, Veränderungen schnell wahrzunehmen und auf sie zu reagieren (Tallon et al., 2019). Dies erfordert ein hohes Maß an Innovationsfähigkeit, Selbst­organisation und Teamorientierung bei den Mitarbeitenden. Agilität ist somit nicht lediglich eine Frage der Strategie oder Struktur, sondern eine Denkweise – das sogenannte agile Mindset. Führungskräfte können als Bindeglied zwischen Mitarbeitenden und der Organisation entscheidend dazu beitragen, wie erfolgreich ein agiles Mindset bei den Individuen ausgebildet und gezeigt werden kann.

Agiles Mindset: Definition

Gemäß Ozkan et al. (2024) unterstützt ein agiles Mindset eine menschen-, kunden-, wert- und lösungsorientierte Arbeits­weise. Es fördert Flexibilität und die Fähigkeit, sich kontinuierlich an veränderte Anforderungen anzupassen, wodurch effektiver gearbeitet und kreative Lösungswege erschlossen werden können. Ein agiles Mindset, wie von Eilers et al. (2022) beschrieben, ist eine Einstellung eines Individuums, die sich auf eine positive Bewertung von bestimmten Verhaltensweisen im komplexen Umfeld bezieht. Hierbei spielen vier Dimensionen eine maßgebliche Rolle: eine positive Einstellung in Bezug auf die Lernbereitschaft, den kollaborativen Austausch, die Kunden-Co-Kreation und die Selbstführung. Eine Einstellung ist nach Eagly und Chaiken (1993) "eine psychologische Tendenz, die sich dadurch ausdrückt, dass eine bestimmte Entität mit einem gewissen Grad an Bevorzugung oder Missgunst bewertet wird“ (translated). Einstellungen sind nicht statisch, sondern können sich im Laufe der Zeit verändern (Schwarz, 2007).

Herleitung der Forschungsfragen 

Für Unternehmen stellt sich die Herausforderung, wie Führungskräfte die Entwicklung eines agilen Mindsets bei ihren Mitarbeitenden wirksam fördern können. Erkenntnisse über die gezielte Förderung eines agilen Mindsets durch Führungskräfte sind bislang jedoch noch stark begrenzt.

Für die erfolgreiche Etablierung von Agilität in Organisationen zeigt es sich in einer Studie von Goncalves et al. (2019) als relevant, dass Führungskräfte selbst eine agile Denkweise besitzen sowie an der agilen Transformation beteiligt sind und diese unterstützen. Führungskräfte mit einem tiefen Verständnis für Organisation und Technologien können ihren strategischen Einfluss einsetzen, um Agilität im Unternehmen zu fördern. Eine effektive Kommunikation und Zusammenarbeit von Führungskräften mit ihren Mitarbeitenden sind unterstützende Treiber für Agilität. Transparente Strategiegespräche und der Abbau von Silodenken können diesen Prozess unterstützen. Ebenso konnten positive Zusammenhänge zwischen visionärer und partizipativer Führung und Agilität identifiziert werden, da dieses Führungsverhalten eine gemeinsame Zielausrichtung anbietet und den Zusammenhalt und das Vertrauen zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften stärkt. Führungskräfte, die auf die emotionalen Bedürfnisse der Teammitglieder eingehen, regelmäßig Wertschätzung aussprechen sowie Konflikte wahrnehmen und lösungsorientiert moderieren können, fördern zudem Agilität in Organisationen (Geffers et al., 2024). 

Bislang sind jedoch der Prozess der agilen Mindsetentwicklung durch das Vorbildverhalten der Führungskraft sowie konkrete Führungsverhaltensweisen und Führungsstrukturen nicht systematisch untersucht worden. Obwohl die Relevanz von Führungskräften für die Förderung von Agilität in der bisherigen Forschung hervorgehoben wird, da sie maßgeblich Veränderungen und unterstützende Umgebungen gestalten können, fehlt es an Evidenz, welche Maßnahmen aus den drei Bereichen (Vorbildverhalten, Führungsverhalten, Führungsstrukturen) eine von den Mitarbeitenden wahrgenommene Wirkung erzielen. Dies ist jedoch entscheidend, um Führungskräften in agilen Transformationen eine umfassende Informationsbasis zu bieten und systematische Weiterbildungen sowie Entwicklungsmaßnahmen zu ermöglichen, die ihnen dabei helfen, die agile Mindsetentwicklung ihrer Mitarbeitenden bestmöglich zu unterstützen.

Gemäß der sozial-kognitiven Lerntheorie (Bandura, 1962) lernen Menschen durch Beobachten und Nachahmen anderer. Damit dies gelingt, müssen die Lernenden ein Modell als Vorbild wahrnehmen und diesem ihre Aufmerksamkeit durch Beobachtung schenken. Die Beobachtungsinformation wird kognitiv verarbeitet und gespeichert (Gedächtnisleistung), damit sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder abrufbar ist. Ob die Lernenden das Verhalten in einer anderen Situation selbst zeigen, hängt aber auch von den erwarteten Konsequenzen ab (Motivation). Arbeitet eine Führungskraft – für die Mitarbeitenden beobachtbar – an ihrem agilen Mindset und wird von den Mitarbeitenden als Vorbild erkannt, könnte das Vorbild­verhalten der Führungskraft einen entscheidenden Einfluss auf die agile Mindsetentwicklung der Mitarbeitenden nehmen. In der ersten Forschungsfrage adressieren wir deshalb: 
F1: Inwiefern können Führungskräfte als Vorbilder fungieren, um die Entwicklung des agilen Mindsets zu unterstützen? 

Führungskräfte zeigen unterschiedliche Führungsverhaltensweisen, um Mitarbeitende dahingehend zu beeinflussen, ein gemeinsames Ziel zu erreichen (Geffers et al., 2024). Diese sind in der Regel in unterschiedlichen Führungsstilen (bspw. autoritäre Führung, transformationale Führung) zusammengefasst. Bislang ist unklar, welche Verhaltensweisen der Führungskräfte von den Mitarbeitenden als hilfreich für ihre agile Mindsetentwicklung wahrgenommen werden. Dieser Aspekt wird in der zweiten Forschungsfrage adressiert:
F2: Welche Art von Führungsverhalten trägt dazu bei, das agile Mindset der Mitarbeitenden zu fördern?  

Führungskräfte etablieren Strukturen, wie bestimmte Mee­t­ings, Entscheidungsprozesse und Entwicklungsvorgehen, die Einfluss auf das Erleben und Verhalten von Mitarbeitenden nehmen. Um zu erforschen, welche von Führungskräften geschaffenen Strukturen die Mitarbeitenden am meisten in ihrer agilen Mindsetentwicklung unterstützt haben, greifen wir als dritten Aspekt folgende Forschungsfrage auf:
F3: Welche Strukturen können Führungskräfte etablieren, um die Entwicklung des agilen Mindsets ihrer Mitarbeitenden zu fördern?  

Um die Forschungsfragen zu beantworten, nutzen wir ein exploratives Forschungsvorgehen: qualitative Experteninterviews. Die daraus resultierenden Daten werden anschließend nach dem Gioia-Ansatz (Gioia et al., 2013) analysiert. Die Befunde liefern eine Vielzahl von Ansätzen, wie Führungskräfte ihre Mitarbeitenden bei der Entwicklung des agilen Mindsets unterstützen können.

Beschreibung der qualitativen Studie

Die empirische Untersuchung erfolgte in Form von semi­strukturierten Online-Interviews mit Mitarbeitenden im agilen Kontext. Die Studie umfasste 24 Teilnehmende aus der DACH-­Region. Die Auswahl der Zielgruppe beschränkte sich bewusst auf Mitarbeitende im agilen Kontext, um die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse zu erhöhen. Der Fokus der Studie lag auf den persönlichen Erfahrungen der Mitarbeitenden, da diese authentisch berichten konnten, welche Maßnahmen und welches Verhalten ihrer Führungskraft ihnen tatsächlich geholfen haben. Es war von Bedeutung, dass die Teilnehmenden über ihre eigenen Erfahrungen und nicht über die Wahrnehmung anderer berichteten. 

Die Geschlechterverteilung betrug 45,8 Prozent Frauen und 54,2 Prozent Männer. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmenden betrug 40 Jahre mit einer Altersspanne von 28 bis 62 Jahren. Im Durchschnitt verfügten die Teilnehmenden über 7,18 Jahre Arbeitserfahrung im agilen Kontext. 

Alle Interviews wurden aufgezeichnet und wortwörtlich transkribiert. Bei der Analyse wurde dem etablierten Ansatz von Gioia et al. (2013) gefolgt, ein induktives Verfahren zur Generierung von Erklärungen und Theorien über relevante Phänomene, die bisher nur begrenzt erforscht wurden. Es können sowohl Wissensfortschritte generiert werden als auch eine parallele Überprüfung mit der vorhandenen Literatur und Theorie stattfinden (Gioia et al., 2013) .

Ergebnisse der Studie und Diskussion

In diesem Abschnitt werden die Ergebnisse systematisch anhand der aufgeworfenen Forschungsfragen berichtet.

F1: Inwiefern können Führungskräfte als Vorbilder fungieren, um die Entwicklung des agilen Mindsets zu unterstützen?  

Um die Forschungsfrage 1 zu beantworten, wurde die so­zial-kognitive Lerntheorie nach Bandura (1962) herangezogen. Die Ergebnisse wurden in die Kategorien Aufmerksamkeit, Gedächtnisleistung und Motivation unterteilt.

Aufmerksamkeit: Die Wahrnehmung von Führungskräften als Vorbilder für ein agiles Mindset variiert in der Stichprobe. Circa zwei Drittel der Befragten berichteten, dass sie ihre Führungskräfte als Leitfiguren, die den Weg vorgeben, wahrnahmen, während die anderen ihr agiles Mindset eher auf persönliche Erfahrungen zurückführten. Entscheidend war, wie ernsthaft und nachhaltig die Führungskräfte ihre agile Mindsetentwicklung vorangetrieben und transparent Beobachtungsmöglichkeiten für die Mitarbeitenden geschaffen haben. Wenn Führungskräfte beispielsweise von eigenständig gelernten Dingen berichteten, inspirierten sie ihre Mitarbeitenden dazu, sich ebenfalls fortzubilden. Damit verbunden spielte das Auftreten und die Glaubwürdigkeit der Führungskräfte eine entscheidende Rolle dabei, ob die agile Mindsetentwicklung der Führungskraft als Vorbildverhalten wahrgenommen wurde. Die Einschätzung, dass die Ausprägung des eigenen agilen Mindsets auf persönliche Charakteristika zurückzuführen sei, wurde insbesondere dann geteilt, wenn die Führungskraft nicht als Vorbild wahrgenommen wurde.

Gedächtnisleistung: Damit das agile Mindset reproduziert werden kann, müssen Mitarbeitende das beobachtete Lernverhalten ihrer Führungskräfte verstehen und erinnern. Die Mitarbeitenden berichteten hierbei, dass ihnen Situationen besonders in Erinnerung geblieben seien, wenn Führungskräfte bereit waren, Erklärungen anzubieten, sowie von Lernerfolgen und gescheiterten Experimenten frei erzählten. 

Motivation: Ob die agile Mindsetentwicklung der Führungskräfte tatsächlich dazu führt, dass auch die Mitarbeitenden ihr agiles Mindset weiterentwickeln, hängt nach Aussage der Befragten davon ab, welche Konsequenzen das gezeigte Verhalten der Führungskräfte nach sich zieht. Beispielsweise motivierte es Mitarbeitende, wenn Führungskräfte selbst im Austausch mit Kunden waren, an Reviews teilnahmen und auf diese Weise Kundenprojekte erfolgreich abschließen konnten. Die Bereitschaft, externe Coaches hinzuzuziehen, signalisierte, dass es in Ordnung war, um Hilfe zu bitten. Ein hohes Maß an Einbeziehung und gemeinsamer Lösungsfindung wurde als besonders motivierend empfunden.

Darüber hinaus adaptierten die Mitarbeitenden Strukturierungs- und Organisationsmethoden, wenn sie die Effektivität dieser agilen Vorgehensweisen erkannten. 

F2: Welche Art von Führungsverhalten trägt dazu bei, das agile Mindset der Mitarbeitenden zu fördern?

In der vorliegenden Studie konnten sechs Dimensionen identifiziert werden, die Führungsverhaltensweisen beschreiben und die für die Entwicklung des agilen Mindsets bei Mitarbeitenden förderlich sind: 1. Unterstützung und Förderung, 2. Vertrauen und Verantwortung, 3. Lern- und Arbeitsatmosphäre, 4. Teamspirit, 5. Transparenz, 6. Authentizität und Nahbarkeit. 

Die erste Dimension zielt darauf ab, dass Führungskräfte eine wechselseitige Beziehung zu ihren Mitarbeitenden pflegen. Dies geschieht beispielsweise über eine offene Kommunikation und gegenseitiges Verständnis: "In unserem Team legen wir großen Wert darauf, Konflikte oder Missverständnisse nicht nur anzusprechen, sondern als Lernchance zu nutzen. So sagte meine Führungskraft zu mir: ‚Du weißt, wie du bist, und ich weiß, wie ich bin. Aber was wäre, wenn wir uns zusammensetzen und gemeinsam überlegen, was wir aus der Situation lernen können – beide Seiten?‘ Diese Einladung, gemeinsam zu reflektieren, hat uns nicht nur geholfen, die Auswirkungen unserer Kommunikation und unseres Verhaltens besser zu verstehen, sondern auch unsere Zusammenarbeit nachhaltig gestärkt."

Vertrauen und Verantwortung wurden als zweite Dimension identifiziert, da Verantwortung vor allem durch gegenseitiges Vertrauen übertragen werden kann. Um die Einstellung hinsichtlich der Lernbereitschaft zu fördern, ist es laut unseren Ergebnissen wichtig, eine Lern- und Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Dies kann über das Leben einer offenen Fehlerkultur und die Bereitschaft zur Experimentierfreude realisiert werden. Teamzusammenhalt war ebenfalls ein zentrales Thema der Interviews. Führungskräfte können diesen über kollaborative Entscheidungsfindung und gezielte Vernetzung fördern. Transparenz kann über die Offenlegung von Entscheidungsprozessen und das Kommunizieren von Erwartungshaltungen realisiert werden. Führung durch Authentizität und Nahbarkeit beschreibt die Vorbildfunktion der Führungskräfte, indem sie beispielsweise selbstreflektiert handeln und offen mit eigenen Fehlern umgehen. 

F3: Welche Strukturen können Führungskräfte etablieren, um die Entwicklung des agilen Mindsets ihrer Mitarbeitenden zu fördern?

Zusätzlich wurden die am Interview teilnehmenden Personen nach Strukturen befragt, die ihr agiles Mindset gefördert haben. Diese Strukturen zeigen auf, wie Führungskräfte Rahmenbedingungen gestalten können, um auf die vier Facetten des agilen Mindsets einzuzahlen. Es wurden fünf Einfluss­dimensionen identifiziert: 1. Kommunikation und Austausch, 2. Lern- und Entwicklungsförderung, 3. Ressourcenbereitstellung, 4. Practices, 5. Kundenorientierung und -verständnis.

Die Dimension Kommunikation und Austausch beinhaltet beispielsweise regelmäßige Meetings auf persönlicher und Teamebene sowie verschiedene Kommunikationskanäle. Für die Lern- und Entwicklungsförderung wurden transparente Zielsetzungen und die Übertragung ganzheitlicher Projekte als hilfreich wahrgenommen. Die Ressourcenbereitstellung be­inhaltet sowohl die Freigabe finanzieller Mittel als auch die Öffnung des eigenen Netzwerks für die Mitarbeitenden. Practices beschreiben verschiedene agile Frameworks und Softwares zur Workflowoptimierung. Für Kundenorientierung und -verständnis wurde regelmäßiger Kundenkontakt sowie Schulung für Kundenumgang als hilfreich wahrgenommen.

Interviewteilnehmende berichteten, dass sie bereits seit ihrer Schulzeit zu "Einzelkämpfern“ erzogen wurden, während das Prinzip der Agilität kollaborative Zusammenarbeit fordert. Dieser Konflikt äußerte sich besonders deutlich im Kontext der Zielvereinbarungen und des Erstellens von Entwicklungsplänen, die in den Interviews als gängige Praxis beschrieben wurden. Diese Zielvereinbarungen und Entwicklungspläne förderten zwar die Lernbereitschaft positiv, wurden jedoch im Hinblick auf die Kollaboration als problematisch erachtet, da sie individuelle Leistungen betonen, während die Agilität das Teilen von Informationen und die Arbeit in Gruppenprojekten voraussetzt. Ein Lösungsansatz, der sich aus den Interviews ableiten ließ, bestand darin, Zielvereinbarungen und Entwicklungspläne weiterhin auf individueller Ebene zu besprechen, diese jedoch dem gesamten Team transparent zu machen. Ein weiterer Ansatz ist die Idee gemeinsamer Zielvereinbarungen und Entwicklungspläne auf Teamebene. Beide Ansätze könnten dazu beitragen, den Zielkonflikt zu entschärfen und die Prinzipien der Agilität besser in den Arbeitsalltag zu inte­grieren.

Praxisimplikationen

Aus unserer Forschung können Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die Führungskräfte dazu befähigen, das agile Mindset der Mitarbeitenden zu fördern. Im Folgenden stellen wir die Praxisimplikationen nach den vier Facetten des agilen Mindsets (Eilers et al. 2022) dar: Lernbereitschaft, kollaborativer Austausch, Kunden-Co-Kreation und Selbstführung. Es ist wichtig zu beachten, dass sich diese nicht immer klar zuordnen lassen und einige Aspekte auf mehrere der Dimensionen einzahlen können.  

Lernbereitschaft: Führungskräfte können durch eine persönliche Lernroutine und die Übernahme von Eigenverantwortung für die Weiterentwicklung ihres agilen Mindsets als Vorbild fungieren. Der Austausch mit Scrum Mastern und anderen Führungskräften ermöglicht es ihnen, effektive Lösungen zu finden, Experimente zu starten und neue Erkenntnisse mit in ihre Arbeitsweise einfließen zu lassen. Hierbei hilft es, diesen Lernprozess inklusive dem Scheitern, Formulieren von eigenen Experimenten und Lernerfolgen transparent zu kommunizieren sowie beobachtbar für die Mitarbeitenden zu machen.

Es ist ebenso entscheidend, dass Führungskräfte eine hohe Veränderungsbereitschaft zeigen und Umdenken als Chance betrachten. Ein grundlegendes Verständnis für agile Prinzipien sollte aufgebaut und die Bedeutung dieser Prinzipien durch aktive Kommunikation, wie diese im eigenen Kontext verstanden und umgesetzt werden, betont werden.

Eine offene Fehlerkultur etwa durch das Schaffen einer vertrauensvollen Atmosphäre und die Förderung von Ex­perimenten schafft ein Umfeld, in dem Mitarbeitende mutig Ideen entwickeln und aus Fehlern lernen können. Regelmäßiges Feedback, der Austausch von Ideen sowie das Prinzip "Safe enough to try“ tragen dazu bei, dass Mitarbeitende sich kontinuierlich weiterentwickeln können.

Zur Unterstützung der Lernbereitschaft sollten Führungskräfte regelmäßig Workshops, interne Schulungen und den Zugang zu externen Lernressourcen wie Coaches, Psychologen und Fachliteratur anbieten. Arbeitszeit zum Lernen und die Unterstützung durch agile Coaches helfen dabei, dass Mitarbeitende ihre Fähigkeiten ausbauen können.

Darüber hinaus sollten Führungskräfte es Mitarbeitenden ermöglichen, verschiedene Bereiche kennenzulernen und neue Rollen auszuprobieren. Job Rotation oder Hospitationen in anderen Abteilungen fördern nicht nur das Verständnis für unterschiedliche Aufgabenbereiche, sondern auch die Einstellung bezüglich persönlicher Weiterentwicklung der Mitarbeitenden.

Kollaborativer Austausch: Führungskräfte sollten eine offene Kommunikation und gegenseitiges Verständnis fördern, um Mitarbeitenden Raum zu geben, ihre Ansichten und Bedürfnisse frei zu äußern. Empathie spielt dabei eine zentrale Rolle, indem sich Führungskräfte proaktiv um die Anliegen ihrer Mitarbeitenden kümmern und eine inklusive Arbeitsumgebung schaffen, die die Vielfalt im Team wertschätzt.

Um Vertrauen und Bindung zu stärken, sollten regelmäßige Eins-zu-eins-Meetings sowie informelle Treffen (z. B. Mittag­essen, Kaffeetrinken) möglich sein. Diese bieten Gelegenheit für persönlichen Austausch und fördern ein offenes Klima, in dem auch persönliche Werte und Fehler geteilt werden können, um Vertrauen aufzubauen. 

Zur Unterstützung der Teamarbeit ist es entscheidend, Raum für häufigen Austausch und eigenständige Ideeneinbringung zu schaffen. Dies kann ebenfalls durch regelmäßige formelle und informelle Meetings sowie die Förderung von abteilungsübergreifendem Austausch und Vernetzung gelingen. Finanzielle Mittel für Teambuilding-Maßnahmen und Weiterbildungen sollten zudem bereitgestellt werden, um die Zusammenarbeit zu stärken.

Die Implementierung agiler Methoden sowie die Nutzung entsprechender Tools zur Visualisierung von Arbeitsprozessen, wie Kanban-Boards, unterstützen die Arbeit und fördern Transparenz im Team. Diese Maßnahmen helfen Führungskräften, eine förderliche Umgebung zu schaffen, die die Zusammenarbeit stärkt und das Arbeitsklima verbessert, was wiederum die Einstellung der Mitarbeitenden bezüglich des kollaborativen Austauschs nachhaltig fördert.

Kunden-Co-Kreation: Um die Kunden-Co-Kreation zu fördern, sollten Führungskräfte systematische Prozesse eta­blieren, die sicherstellen, dass Mitarbeitende regelmäßig und intensiv mit Kunden interagieren können. Dies kann durch die Einrichtung regelmäßiger Meetings zwischen Mitarbeitenden und Kunden geschehen, um kontinuierlich Feedback zu Produkten oder Dienstleistungen zu sammeln. Direkte Kommunikation ermöglicht es den Mitarbeitenden, Rückmeldungen von den Kunden zu erhalten und ihre Arbeit entsprechend anzupassen. Führungskräfte sollten sicherstellen, dass ihre Mitarbeitenden ausreichend Zeit und Ressourcen haben, um die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen. Dies kann durch die Gewährung zusätzlicher Zeit für die Analyse von Kundenproblemen und -bedürfnissen geschehen. Die Erstellung von Personas hilft ebenfalls, ein klares Bild von den Kunden und Nutzenden sowie deren Bedürfnissen zu bekommen und dieses Wissen effektiv in die Produktentwicklung einfließen zu lassen. Außerdem kann es für die Zusammenarbeit förderlich sein, wenn Kunden direkt besucht werden, um die Auswirkungen der eigenen Arbeit vor Ort zu erleben.  

Führungskräfte sollten die Flexibilität und Autonomie ihrer Mitarbeitenden fördern, indem sie ihnen die Freiheit geben, selbst zu entscheiden, wie und wann sie mit den Kunden arbeiten. Dies ermöglicht eine effektivere und dynamischere Zusammenarbeit. Spezifische Schulungen und Workshops können den Umgang und die Kommunikation mit und das Verständnis für die Kunden stärken, sodass die Mitarbeitenden besser auf deren Bedürfnisse eingehen können. 

Selbstführung: Ein strukturierter Onboarding-Prozess ist entscheidend, um neue Teammitglieder von Anfang an zu empowern, sich selbst zu organisieren, und ihnen ein Gefühl der Zugehörigkeit und Sicherheit zu vermitteln. Dabei sollten formelle wie auch informelle Aspekte der Unternehmensstruktur vermittelt sowie wichtige Ansprechpersonen und Kolleginnen und Kollegen kennengelernt werden. Auf diese Weise kann ein grundlegendes Verständnis für die allgemeine Arbeitsweise und die Rollen der Mitarbeitenden vermittelt werden.

Die Meinungen der Mitarbeitenden einzufordern und sie in übergreifende Entscheidungsprozesse einzubeziehen, ermöglicht ein Mitwirken an Organisationsprozessen. Flexibilität in der Arbeitsgestaltung ermöglicht es den Mitarbeitenden, ihren Arbeitstag entsprechend ihren persönlichen Bedürfnissen zu planen und dadurch effektiver zu arbeiten.

Vertrauen in die Selbstorganisationsfähigkeit der Mitarbei­tenden ist essenziell. Führungskräfte sollten eine eigen­ständige Entscheidungsfindung ermöglichen, indem sie klare Rah­menbedingungen schaffen, innerhalb deren Autonomie ausgeübt werden kann. Dies schließt die gemeinsame Fest­­­­­legung von Verantwortlichkeiten und klare Abgrenzungen ein, um Orientierung zu bieten und Mikromanagement zu vermeiden.

Es ist wichtig, Mitarbeitende zu empowern, indem sie bei Fragen unterstützt werden und wissen, dass sie auf die Führungskraft zählen können. Eine Kultur des gegenseitigen Supports und Rückhalts fördert ein Arbeitsumfeld, in dem jedes Teammitglied geschätzt wird. Führungskräfte sollten das Positive, das das Team erreicht, würdigen und Anerkennung aussprechen. 

Durch regelmäßige Gespräche sollten Führungskräfte den Stand der Ziele und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden abfragen, um gegebenenfalls bei Hindernissen unterstützen zu können. Sie sollten Mitarbeitenden Raum für Selbstreflexion geben und sie ermutigen, über ihre persönliche Entwicklung nachzudenken.

Führungskräfte sollten das Potenzial ihrer Mitarbeitenden erkennen und sie in neuen Projekten einsetzen, um ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln und ihr Selbstvertrauen zu stärken. 

Wenn das Team bereits überlastet ist, bedarf es Maßnahmen, welche eine Bewältigung der Arbeitslast und eine nachhaltige Arbeitsleistung der Teams gewährleisten. Bei Bedarf sollten Führungskräfte Mitarbeitenden helfen, das Aufgabenpensum zu reduzieren oder neu zu organisieren, um eine gesunde Balance zu fördern.

Die Führungskraft sollte die Mitarbeitenden ermutigen, Verantwortung zu übernehmen und in den Vordergrund zu treten, während sie im Hintergrund agiert. In anspruchsvollen Phasen unterstützt die Führungskraft das Team, indem sie zum Beispiel verstärkt ihren Einfluss nutzt, um Hindernisse und Schwierigkeiten zu beseitigen, ohne dabei die persönliche Anerkennung in den Vordergrund zu stellen.

Es ist entscheidend, dass Führungskräfte kontinuierlich an ihrer eigenen Entwicklung arbeiten, indem sie ihre Stärken und Schwächen reflektieren, ihre eigenen Fehler und Absichten offenlegen und Kritik konstruktiv annehmen. Auf diese Weise vertreten sie eine offene Haltung gegenüber verschiedenen Standpunkten und demonstrieren die Bereitschaft, aktiv an Diskussionen teilzunehmen. 

Zusammengefasst schaffen diese Handlungsempfehlungen eine unterstützende und motivierende Arbeitsumgebung, die die Einstellung hinsichtlich der vier Facetten des agilen Mindsets fördert und es den Führungskräften ermöglicht, das agile Mindset ihrer Mitarbeitenden zu fördern. Indem sie als Vorbilder agieren und unterstützende Rahmenbedingungen schaffen, können Führungskräfte durch ihr Verhalten dazu beitragen, dass Organisationen auch in komplexen Umgebungen wirtschaftlich erfolgreich bleiben.

Autoren: Bente Schreiter, Anna Rook, Dr. Karen Eilers und Prof. Dr. Tim Warszta (FH Westküste)

Dieser Beitrag ist erschienen im Wissenschaftsjournal PERSONALquarterly, Ausgabe 2/2025 mit dem Schwerpunktthema "Mit Kooperationen Innovation fördern und Herausforderungen gemeinsam bewältigen".

Literaturverzeichnis:

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