Elementarschäden: Zeit für die Pflichtversicherung?

Die gesellschaftliche Akzeptanz für eine verpflichtende Elementarschadenversicherung in Deutschland ist größer als angenommen, wie eine Studie des Ifo-Instituts zeigt. "Vor allem aus Gründen der Fairness sind viele Haushalte bereit, ein solidarisches Versicherungssystem mitzutragen – selbst dann, wenn sie selbst kaum direkt davon profitieren würden", sagt Ifo-Expertin Marie-Theres von Schickfus.
Umfrage: Pflichtversicherung kosteneffizienter als staatliche Hilfen
Knapp die Hälfte (39 Prozent Zustimmung, 34 Prozent neutral) der Haushalte befürwortet demnach eine Pflichtversicherung, auch ohne dazu spezifische Informationen zu haben. Nach gezielten Information über die reale Höhe staatlicher Hilfen – bis zu 80 Prozent der Schäden nach der Flut wurden öffentlich kompensiert – stieg die Zustimmung weiter an. Besonders stark fiel laut Ifo-Forschern der Effekt bei bislang nicht versicherten Haushalten in Gebieten aus, in denen das Risiko von Überflutungen gering ist.
Hier zeigte sich eine neue Haltung der Bevölkerung: Eine privatwirtschaftlich organisierte allgemeine Pflichtversicherung wurde als fairer und kosteneffizienter empfunden als staatliche Ad-hoc-Hilfen. "Das eröffnet Handlungsspielraum für eine politische Neuordnung der Katastrophenvorsorge", so von Schickfus.
Die Flutkatastrophe in 2021 richtete Schäden in Höhe von mehr 40 Milliarden Euro an – nur etwa die Hälfte der Wohngebäude war damals versichert. Vor diesem Hintergrund befragte das Ifo-Institut rund 8.000 Haushalte und 639 Unternehmen zu den Erwartungen gegenüber staatlicher Hilfe sowie zur Haltung zu einer Pflichtversicherung. In Deutschland sind demnach derzeit nur 25 Prozent der klimabedingten Schäden versichert.
"In Zeiten wachsender Extremwetterrisiken könnte ein verpflichtendes Versicherungssystem ein sinnvoller Schritt hin zu einem vorsorgenden Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels sein und staatliche Haushalte entlasten", ergänzte Karen Pittel, Leiterin des Ifo-Zentrums Energie, Klima und Ressourcen. Eine stärkere Berücksichtigung von Klimarisiken bei Investitionsentscheidungen setze allerdings voraus, lokale Risiken in den Versicherungsprämien adäquat einzupreisen.
Elementarschäden: Bundesrat drängt auf Pflichtversicherung
Über eine bundesweite Pflichtversicherung gegen Elementarschäden an Gebäuden wird seit Jahren diskutiert. In der Ampel-Regierung war die Einführung einer Pflichtversicherung umstritten.
Ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, damals in der Opposition, mit Vorschlägen für eine Elementarschadenversicherung war am 11.3.2024 Thema in einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags. Für die Eigentümerseite war Dr. Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland, eingeladen. Er begrüßte die Idee der Union, die Versicherungsquote zu erhöhen und den Staat als Rückversicherer in einem risikobezogenen Prämiensystem zu etablieren. In den Mittelpunkt der Diskussion müsse allerdings der Präventionsgedanke gerückt werden.
Antrag CDU/CSU: Elementarschadenversicherung fit für die Zukunft machen
Anhörung im Rechtsausschuss: Sachverständigenliste und Stellungnahmen
Der Bundesrat hatte am 14.6.2024 einen Entschließungsantrag verabschiedet, in dem er auf Extremwetterereignisse und Großschadenslagen durch Hochwasser verweist. In dem Antrag wird die dringende Notwendigkeit unterstrichen, "schnellstmöglich eine flächendeckende Elementarschadenpflichtversicherung einzuführen".
Ziel müsse es sein, eine wirksame finanzielle Absicherung gegen die massiven materiellen Schäden zu schaffen und gleichzeitig die Steuerzahler, die für die Unterstützung nicht abgesicherter Hauseigentümer aufkommen müssten, zu entlasten.
Die Entschließung des Bundesrates wurde der Bundesregierung zugestellt. Sie entscheidet, ob und wie sie den Forderungen der Länder nachkommt. Feste Fristen dafür gibt es nicht. Passiert ist vor dem Regierungswechsel nichts mehr.
Pflichtversicherung verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen
Der Bundesrat hatte bereits am 31.3.2023 einstimmig beschlossen, dass eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden bundesweit gelten solle und forderte auch damals schon die Bundesregierung auf, einen Vorschlag für eine Regelung vorzulegen. Die Belastung im Schadensfall sei um ein Vielfaches höher als die Beiträge und könne – wie die Flut im Sommer 2021 gezeigt habe – teilweise sogar existenzbedrohend sein.
"Der Bundesrat stellt fest, dass die Versicherung von privaten Gebäuden gegen Elementarschäden noch nicht ausreichend ist und Handlungsbedarf besteht", heißt es in dem Beschluss von 2023.
Die Einführung einer Versicherungspflicht innerhalb eines vom Gesetzgeber auszugestaltenden Korridors sei auch verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen. Zuvor hatten die Justizminister der Länder geprüft, ob eine Versicherungspflicht verfassungsgemäß wäre und das bejaht – "insbesondere, wenn substantielle Selbstbehalte oder vergleichbare Instrumente vorgesehen werden, die zudem versicherungsinhärent zur Vermeidung von Fehlanreizen hinsichtlich der Eigenvorsorge sachgerecht erscheinen."
Mehrkosten für Hauseigentümer durch Pflichtversicherung
Doch auch bei verfassungskonformer Umsetzung hätte eine Pflichtversicherung laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) enge Grenzen. Die Prämien für Elementarschadenversicherungen orientieren sich an der Gefährdungsklasse des jeweiligen Gebäudes.
In der niedrigsten Stufe gibt es Versicherungen für weniger als 100 Euro, wie aus Daten der Stiftung Warentest und Vergleichsportalen hervorgeht. In der höchsten Klasse können Prämien von mehreren hundert Euro pro Jahr anfallen. Oft übernehmen Versicherer nicht das vollständige Risiko. Es könnten hohe Selbstbehalte anfallen.
Beim Risiko landen etwa Häuser in Gegenden, in denen es mindestens einmal in zehn Jahren zu Hochwasser kommt, in der höchsten Gefährdungsklasse; bei Starkregen werden Gebäude im Tal in der Nähe eines Baches in die teuerste Klasse eingestuft. Wie hoch die tatsächlichen Mehrkosten für Eigentümer wären, hängt laut GDV von der Ausgestaltung des Gesetzes ab.
Samariterdilemma: Warum Elementarschäden versichern?
Eine Gebäudeversicherung zahlt Sturmschäden am Haus, etwa abgedeckte Dächer, und kommt auch für Folgeschäden auf, wenn zum Beispiel durch das vom Sturm beschädigte Dach Regen eindringt und Wände oder Fußböden beschädigt werden. Schäden durch Grundwasser, Hochwasser oder Regen – wie vollgelaufene Keller – sind in der Regel nicht versichert. Nur, wenn auch Elementarschäden abgesichert wurden, besteht umfassender Versicherungsschutz.
Die Ökonomen Clemens Fuest und Marcel Thum vom Ifo-Institut sehen das Hauptargument für eine Pflichtversicherung im Samariterdilemma des Staates: Ist ein Elementarschaden eingetreten und sind die betroffenen Gebäude nicht versichert, werden Steuergelder locker gemacht. "In der Abwägung zwischen teurer Versicherung und dem Risiko, unversichert einen Schaden zu erleiden, fällt die Entscheidung oft gegen eine Versicherung aus", so Fuest und Thum – und das umso eher, je größer die staatliche Hilfe sei.
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