„Bei einer Finance Transformation sollte man die Organisation von Grund auf neu denken!“


Neue Organisation bei Finance Transformation

Während vielfach noch über Digitalisierung gefachsimpelt und agile Organisationsformen gerätselt wird, wird beim Maschinenbauer BHS Corrugated schon umgesetzt. Mit der Modernisierung seiner Finanzorganisation beweist das Unternehmen sowohl großen Veränderungswillen als auch Pragmatismus. In Teil 1 dieser Interviewserie berichten Dr. Thomas List (Group CFO) und Leonis Petschmann (Managing Partner Vindelici Advisors) über die Relevanz der Finance Transformation sowie Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Umsetzung.

Die Gesprächspartner 

Dr. Thomas List ist Group CFO bei BHS Corrugated, einem Lösungsanbieter für Wellpappenmaschinen und -anlagen mit 3.500 Mitarbeiter:innen in mehr als 20 Ländern. Das über 300 Jahre alte Familienunternehmen ist Marktführer in seiner Branche und setzt mit Innovationen immer wieder neue Maßstäbe. Dr. List leitet das General Executive Committee bei BHS Corrugated und war in seiner Karriere schon in mehreren Führungspositionen tätig, u.a. bei der Hoffmann Group sowie bei der KUKA AG.

Leonis Petschmann ist Managing Partner bei Vindelici Advisors und begleitet Unternehmen bei komplexen Transformationen, insbesondere auch bei organisatorischen Veränderungen.   

Die Fragen stellte Günther Lehmann, Chefredakteur Controlling von Haufe und Vorstand der Verlag für ControllingWissen AG.

Basics und Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Finance Transformation

Lehmann: Guten Tag, Herr Dr. List und Herr Petschmann, heute möchten wir über Finance Transformation sprechen und wie Unternehmen diesen Prozess erfolgreich umsetzen können. Herr Petschmann, was versteht man unter Finance Transformation und warum ist sie für Unternehmen so wichtig?

Relevanz von Transformationen in volatilen Märkten

Abb.1 Relevanz von Transformationen in volatilen Märkten

Quelle: Eigene Darstellung, mit Daten von Gartner (2023) und Forbes (2021)


Petschmann: Die Finance Transformation ist eine grundsätzliche Veränderung der Organisationsstruktur. Es geht also nicht nur um punktuelle Verbesserungen, wie eine Automatisierung oder eine Digitalisierung, sondern um eine grundlegend neue Verteilung von Aufgaben und die Definition von zukunftsfähigen Rollen. Damit geht möglicherweise auch eine Veränderung von Führungsverantwortungen und somit der Organisationsstruktur im Finance Bereich einher. Wichtig ist dies aus zwei Gründen:

  • Das Umfeld, in dem sich Unternehmen bewegen, ist deutlich schneller geworden.
  • Die aktuellen Organisationsstrukturen der Unternehmen, die häufig noch sehr hierarchisch sind, geraten an ihre Grenzen. Sie sind nicht in der Lage, angemessen schnell zu reagieren oder fundamentale Veränderungen, wie KI und Digitalisierung, schnell genug umzusetzen.

Welche Schlüsselkomponenten sind für eine erfolgreiche Finance Transformation notwendig? 

Petschmann: Häufig ist es in einem ersten Schritt sinnvoller sich klarzumachen, was zu vermeiden ist, bevor die Lösung skizziert wird. Bezogen auf die Finance Transformation bedeutet dies: Wenn nach der Transformation eigentlich doch noch alle das Gleiche tun, beziehungsweise in der gleichen Struktur sind wie vorher, dann habe ich irgendetwas falsch gemacht. 

Was sind also die Schlüsselkomponenten für eine erfolgreiche Transformation? 

  1. Ich muss mir bewusst sein, warum ich diese Transformation mache – dafür kann es unterschiedlichste Gründe in Unternehmen geben. 
  2. Ich muss verstehen, was das eigentliche Produkt einer Finance-Abteilung ist. Sind die Arbeitsteilungen und Teams so aufgestellt, dass sie alles dafür tun, um das Produkt bestmöglich abzubilden? 
  3. Ich muss mutig sein, echte Veränderung anzugehen. Das bringt unter Umständen mit sich, Aufgabenbereiche gewisser Personen zu verändern, neue Verantwortlichkeiten zu verteilen und auch eine neue Art von Führungskräften zuzulassen. Zu akzeptieren, dass es zukünftig gewisse Tätigkeiten ganz sicher nicht mehr geben wird und es neue Profile und neue Tätigkeiten braucht.

Die Frage nach dem „warum“ kann bei Unternehmen unterschiedlich sein, das eigentliche Produkt ist jedoch im Wesentlichen für alle Finanzorganisationen das Gleiche, und zwar die Generierung von Informationen für das Unternehmen. Finance ist im Grunde genommen dafür zuständig, all die unterschiedlichen Datenpunkte von Kund:innen und Mitarbeiter:innen – insbesondere Finanzzahlen – in Informationen umzuwandeln und der Organisation damit zu ermöglichen, gute Entscheidungen zu treffen.

List: Ein für alle gleich geltendes Vorgehen gibt es nicht, jedes Unternehmen hat individuelle Faktoren, die unbedingt mit zu berücksichtigen sind. Aber natürlich ist es so, dass die Aufgaben der Finanzorganisationen in Unternehmen in den allermeisten Fällen doch ähnlich sind. Konkret denke ich in diesem Fall, dass man sich einer Finance Transformation nicht evolutionär nähern sollte. Stattdessen sollte man einen klaren Schnitt machen, sich von der bestehenden Struktur abwenden und die Organisation von Grund auf neu denken: 

  • Welche Aufgaben haben wir heute und welche Aufgaben werden wir morgen haben? 
  • Wie kann ich diese Aufgaben sinnvoll in Prozesse überführen?
  • Und welche Rollen ergeben sich daraus? 

Und diese Fragen sollten völlig ergebnisoffen diskutiert und beantwortet werden. Und ich glaube – und diese Erfahrung haben wir gemacht – man wird überrascht sein, was alles wie selbstverständlich im Status Quo erledigt wird. Und dies ist am Ende der Schlüssel, einmal wirklich einen Neuanfang zu wagen und diese Dinge zu verändern. Das Ergebnis war bei uns dann eine hybride Organisation, in der Menschen in neuen Strukturen den Prozessen folgend zusammenarbeiten.

Lesen Sie in Kürze: „Für eine Finanzorganisation ist diese hybride Organisation einem extremen agilen Ansatz überlegen.“

Das Interview ist ein Vorabdruck aus Controller Magazin, Ausgabe Juli/August 2025.

Schlagworte zum Thema:  Finance, Transformation, CFO